Die Ausstellung "Das unruhvolle Spiel" präsentiert Landschaftsbilder zweier Künstler, die aus den Anfängen der zweien Jahrhunderte stammen. Zugleich aber wird mit diesem Titel das ganze Thema dieser Bildgattung angesprochen: Denn gerade im 20. Jahrhundert durchlebte die Landschaftsmalerei den Höhepunkt ihrer Entwicklung.
Heinrich Maria Davringhausen (1894 - 1970) und Pia Andersen (*1959) repräsentieren jeweils den Anfang und das Ende eines stürmischen Jahrhunderts, in dem aus der kontinuierlichen Entwicklung der vorherigen zweihundert Jahren eine ungestüme inhaltliche und stilistische Vielfalt entstand, die wir heute, im 21. Jahrhundert, als eine Selbstverständlichkeit betrachten. So gesehen stehen sie hier für die Jugend und die Reife dieser Bildgattung.
Den beiden künstlerischen Positionen werden in der Ausstellung unterschiedliche Rollen zugewiesen, die dem Zuschauer helfen werden, die Genre Landschaftsmalerei in ihrer historischen und künstlerischen Komplexität zu begreifen.
Heinrich Maria Davringhausen agiert hier als Sammelbecken der zahlreichen damaligen Kunstrichtungen und deren Auseinandersetzungen mit dem Begriff Landschaft. Die Arbeiten, die in der Ausstellung zu sehen sind, werden teilweise zum ersten Mal dem Publikum vorgestellt. Sie stammen aus seiner Anfangszeit 1912 bis 1913, als er an der Düsseldorfer Akademie Malerei studierte. Noch mehr als sein solides Handwerk, das nicht direkt das Thema dieser Ausstellung ist, überrascht hier die Vielfalt von stilistischen Richtungen, die sich der junge Künstler innerhalb nur eines Jahres 1912 angeeignet hat. Offensichtlich suchte sich der talentierte und aufgeweckte Achtzehnjährige seine Vorbilder unter den interessantesten Repräsentanten seiner Zeit aus. Dabei stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Quelle seiner vielfältigen Kenntnisse der internationalen Kunstszene, welche damals sonst nur mittels teurer Reisen und diverser Aufenthalten in fremden Hauptstätten zu erlangen wären. Die kostbare Chance, diese kennen zu lernen, ermöglichten ihm (wie auch anderen Interessierten) die Ausstellungen des Sonderbundes der Westdeutschen Kunstfreunde und Künstler, die seit 1909 in Düsseldorf und Köln stattfanden. Ihre erklärte Mission war, alle Innovative Strömungen (und Probleme) der Kunst damaliger Zeit bekannt zu machen. Die großen internationalen Künstler, wie van Gogh, Cezanne und Gauguin wurden in den Ausstellungen von neuesten Positionen aus allen europäischen Ländern begleitet und stoßen auf die Verständnislosigkeit der Älteren und auf die grenzenlose Begeisterung seitens der Jüngeren, also der neuen, wissbegierigen Künstlergeneration.
Deshalb darf es uns nicht überraschen, bei Davringhausen auf einen Querschnitt durch die Kunst des vorherigen Jahrhundertbeginns zu treffen. Noch weniger dürfen wir diese Arbeiten herablassend betrachten. Denn auch stilistisch fremd beeinflusst, offenbaren sie neben einem hervorragenden Handwerk einen sicheren Geschmack, enorme Lernfähigkeit, schnelle Auffassungsgabe und vor allem einen eigenständigen Talent.
Die kleinen Landschaften sind keine Kopien oder Nachahmungen bestimmter Werke. Es ist die Auseinandersetzung mit den neuen Errungenschaften und Suche nach den eigenen Ausdrucksformen. Der weitere Weg ist hier vorgezeichnet: die Darstellungen verlieren ihre abbildende Funktion und erlangen Eigenwertigkeit, die dann später in der Auflösung der Gegenständlichkeit endet. Eine Entwicklung, die die meisten Künstler durchgemacht hatten.
Der Stilpluralismus der Avantgarde zu Beginn des Jahrhunderts ebnete in seiner Entwicklung den Weg für die späteren Generationen der Künstler und gab ihnen uneingeschränkte Möglichkeiten.
Pia Andersen repräsentiert diese neue Zeit, die zwar viel weniger stürmisch oder dramatisch, jedoch nicht geringer interessant war und immer noch ist. Sie gehört zur späten Nachkriegsgeneration der westeuropäischen Künstler, die beinahe grenzenlose Freiheit in ihrer Kunst ausleben dürften. Weder geographische noch intellektuelle Grenzen wurden den unruhigen und neugierigen werdenden Künstlern gesetzt. Sie dürften uneingeschränkt aus der Fülle der Errungenschaften der Weltkunst schöpfen, ohne Rücksicht auf irgendwelche Tabus oder Einschränkungen. So konnte Pia Andersen bereits ihr Studium ihren künstlerischen Visionen anpassen, indem Sie nach dem Studium der Malerei in Kolding auch Textildesign in Polen studierte, um die Dreidimensionalität in ihren Werken erreichen zu können. Auch nach ihrem Studium konnte sie sich weiter entwickeln, indem sie die Welt bereiste und sich neue Tendenzen in der Kunst und Kunsthandwerk aneignete.
Natur war immer ihr wertvollstes Vorbild und ihre größte Herausforderung. Um ihren Natureindrücken Form zu verleihen, hat sie ihre eigene unnachahmliche Manier entwickelt, eine stilistische Mischung, zwischen Abstraktion und Realität, zwischen Malerei und Skulptur. Der Künstlerin geht es jedoch nie darum, die konkreten Land- bzw. Naturstücke wiederzugeben, sondern gelingt es ihr stets, das allgemeine, universelle Landschaftsbildnis zu erschaffen, indem sie ihre persönlichen Erinnerungen durch die Reduktion der Formen und den kreativen Einsatz der Farben zu Abstraktionen zurückführt. Damit vermeidet sie, dass ihre Bilder zu bloßen Illustrationen eines momentanen Naturzustandes werden.
Jede Landschaft besteht bei ihr aus vielen einzelnen, die in hauptsächlich von den Augen und Stimmungen des Betrachters abhängig seien, der auf die Weise mit ins Bild eingezogen werden darf.
All diese Eigenschaften, die hier und heute vom Publikum als selbstverständlich wahrgenommen werden und vor hundert Jahren von den jungen Künstlern erst erträumt wurden, gehören zu den wesentlichsten Errungenschaften der Avantgarde.