Mit der Einzelausstellung „ALLFARBIG“ von Sebastian Heiner setzt die Potsdamer Galerie DIAMONIKAST ihre langjährige Zusammenarbeit mit der Berliner White Square Gallery fort. Die zwei Nachbarstädte, Berlin und Potsdam, finden in diesem Projekt einen kulturellen gemeinsamen Nenner - den Künstler Sebastian Heiner - der als Maler und Performer in den beiden (Haupt)Städten sein Zuhause hat. Denn seine Arbeiten sind nicht nur in den Berliner Sammlungen zu finden, sondern auch in der Dauerausstellung des Fluxus-Museums in Potsdam.
Bereits als junger Student der Hochschule der Künste (HdK) verlor Sebastian Heiner sein Herz an die Fluxus-Lehre und bewegte sich eine Zeitlang im nächsten Umkreis von Wolf Vostell, dem er 1986 sogar bis nach Spanien, in dessern Sommerakademie in Malpartida de Caceres folgte. Die intensiven Begegnungen von damals formten sein Verständnis von Kunst als einer aktiven Lebensform, das bis heute sein Werk prägt.
1991 absolvierte Sebastian Heiner die HdK als Meisterschüler von Klaus Fußmann, einem Meister, der seine malerische Sicht auf die Welt und seinen Umgang mit Farben zutiefst beeinflusst hatte. Zum Markenzeichen des Oeuvres Sebastian Heiners gehört unter anderem die Virtuosität im Umgang mit Farben und die Fähigkeit, deren Leuchtkraft ins Unendliche zu steigern, und zwar in jeder Gattung und jedem Medium, mit denen er zu tun hat.
Die Ausstellung „ALLFARBIG“ gibt ein gutes Beispiel dafür. Sie präsentiert eine Reihe von groß- und mittelformatigen abstrakten Ölgemälden, die als farbenreiche, strahlende Farbkompositionen, vom Raum zu Raum aufeinanderfolgen und ineinanderfließen. Diese Farbenbewegung folgt den inneren Rhythmen einzelner Kompositionen und erzeugt eine harmonische Einheit des Ganzen, das weder Anfang noch Ende hat.
Die Farbendynamik der Ausstellung erzeugt eine einzigartige, vitale und zugleich flüchtige Atmosphäre einer (musikalischen) Interpretation, die hier von vielen Faktoren, wie Licht oder Perspektive abhängig ist. Dem Betrachter werden dadurch immer neue Wahrnehmungsvariationen gewährt.
Die einzelnen Gemälde sind am treffendsten als Farbskulpturen zu beschreiben. Dieser Eindruck entsteht durch den pastosen, unregelmäßigen Auftrag vieler verschiedenen Farben, die vom Künstler mit Intensität und scheinbarer Leichtigkeit auf die Leinwand und aufeinander gespritzt, geschabt, getüncht, gepinselt und gegossen werden. Sie trocknen und werden zu fantastischen, aus Farben geformten Reliefs, die ihre Leuchtkraft nach und nach entfalten und deren Freiheit jedoch erst durch das meisterhafte Kalkül des Künstlers zutage tritt.
Mit diesen skulpturalen Farbakkorden interpretiert der Künstler seine Sicht auf die Welt. Und selten stehen wir als Betrachter einem so lebensbejahenden Weltbild gegenüber wie dem von Sebastian Heiner.
Und trotzdem wollen wir den Künstler nicht zu einem zu hoffnungsvollen oder sogar naiven Optimisten herabwürdigen. Denn die Welten, die Sebastian Heiner kreiert, sind bunt und somit facettenreich und tiefgründig. Ihre Harmonien sind im Entstehen zu betrachten, sie sind wunderschön, aber gleichzeitig äußerst brüchig und flüchtig, von vielen Komponenten abhängig. Es lohnt sich, die Formen und Gebilden in den einzelnen Kompositionen genauer unter die Lupe zu nehmen, um sich der Tatsache bewusst zu werden: Sie sind in einem erbitterten Kampf miteinander zu begreifen. In jedem Bild wird ein einziger Moment festgehalten, in dem aus dem Chaos - vorübergehend - der Kosmos wird.
So sind die Bilder von Sebastian Heiner: wunderschön und harmonisch. Und dennoch irrt sich Derjenige, der darin lediglich eine hübsche Dekoration sehen möchte. Denn die Welt von Sebastian Heiner ist immer wie ein Bühnenbild gestaltet: bunt, spannend, hintergründig und geheimnisvoll. Manchmal geben uns seine Titel eine Richtung vor, aber das Entscheidende soll das Auge leisten. Die großen Gemälde zeigen Kompositionen, die auf den ersten Blick harmonisch, ja sogar freudestrahlend wirken. Und dennoch beginnen sie beim längeren Betrachten in die Einzelteile zu zerfallen, was diese augenblickliche Perfektion hinterfragen lässt. Die Harmonie ist nur zeitweilig, es ist ein Zustand, bei dem jeder Augenblick entscheidend ist und zählt. Das Leben birgt in sich nicht nur Freude oder Verfall, sondern einiges mehr. Die Welt ist nicht binär. Sie ist ALLFARBIG.